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Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren ((mg/Kubikmeter) x Jahre), BK Nr. 4111

Zu dieser neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommenen Berufskrankheit stellt sich nachgerade zuerst die

Frage: Warum hat man die Gießereiarbeiter an dieser Berufskrankheitennummer nicht teilnehmen lassen, obwohl doch diese Berufsgruppe sehr wohl entsprechenden Belastungen unter Hitzeeinwirkung und körperlicher Schwerarbeit ausgesetzt ist?

Offenbar hat man nur hinsichtlich der Bergleute geprüft, worauf das dem Merkblatt beigegegebene Literaturverzeichnis hinzuweisen scheint. Aus einer Reihe epidemiologischer Untersuchungen sei ableitbar, daß bei der Personengruppe der Bergleute nach einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren gegenüber der übrigen Bevölkerung eine Risikoverdoppelung auftritt, an einer chronischen obstruktiven Bronchitis oder einem Emphysem zu erkranken.

Vorsicht: Hier haben wir sie wieder, die 50 %-Hürde, die man gegen die Anerkennung einer Berufskrankheit aufgebaut hat. In deutschen Gesetzen findet die Anforderung einer Risikoverdoppelung keine Stütze. Gleichwohl dient sie in der Praxis dazu, wesentliche Kausalitäten verneinen zu können, z.B. in Fällen, wo das Risiko „nur“ um 40 % erhöht ist.

Wesentlich mitursächlich können also auch 50 sogenannter Feinstaubjahre sein, wenn man also dem mehr monokausalen Ansatz des Berufskrankheitenrechts nicht zu folgen bereit ist.

Tip: Der Fehler, bei der Verordnungsgebung hier eine 50 %-Hürde errichtet zu haben, ist nur über die Öffnungsklausel des § 551 II RVO respektive § 9 II SGB VII auszubügeln, welche Vorschrift als formelles Gesetz nicht etwa durch eine zu kurz greifende Erweiterung der Berufskrankheitenliste ausgehebelt werden könnte.

Um diese neue Bergarbeiter-Bronchitis rankt sich inzwischen nachgerade ein Abenteuerroman.

Fälle: Bergleute, die an einem Bergarbeiteremphysem litten, erhielten bereits von der Berufsgenossenschaft Vorschüsse auf eine Berufskrankheit nach § 551 II RVO. Als dann die Erweiterung der Berufskrankheitenliste um diese Fälle erfolgte, und zwar mit der Stichtagsregelung, Fälle nach dem 31.12.1992, wollte die Berufsgenossenschaft von einer Anerkennung nichts mehr wissen und stoppte die aufgenommenen Zahlungen, obzwar die Anspruchsgrundlage des § 551 II RVO bzw. § 9 II SGB VII vom Gesetzgeber keineswegs aufgehoben worden ist.

Fälle dieser Art befinden sich nunmehr in Rechtsstreiten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. Es gibt keine vernünftige Begründung dafür, warum denn nun Fälle aus der Zeit vor dem Stichtag, wo also der Versicherungsfall beispielsweise in 1985 aufgetreten ist, ausgenommen sein sollen von der Entschädigung. Die Aufsichtsbehörde, das Bundesversicherungsamt, hat sogar die Bergbau-Berufsgenossenschaft verpflichtet, „in allen Fällen, in denen aufgrund der vorgreiflichen Anwendung der Stichtagsregelung, § 6 der BKV in der Fassung vom 31.10.1997 der Antrag der Versicherten auf Entschädigung der chronischen obstruktiven Bronchitis oder des Emphysems von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau nach § 551 II RVO bzw. § 9 II SGB VII abgelehnt wurde, die Feststellungsverfahren mit dem Ziel wieder zu eröffnen, den Betroffenen im Wege des Schadensersatzes die im einzelnen zu ermittelnden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, § 839 BGB, Art. 34 Grundgesetz.“ Dessen, d.h. des Schadensersatzes, bedürfte es dann nicht, wenn man nun endlich erkennen würde, daß die Rechtsprechung des BSG zu § 551 II RVO, im Falle der Erweiterung einer Berufskrankheitenliste dürfte man nicht weiter § 551 II RVO für die Fälle aus der Vergangenheit anwenden, nicht zu halten ist und in absolutem Widerspruch zur Praxis der letzten Jahrzehnte steht. Dem Vernehmen nach hat die Berufsgenossenschaft Klage gegen den Verpflichtungsbescheid des Bundesversicherungsamtes erhoben.

Fazit: Nicht nur Gießereiarbeiter werden von der überfälligen Entschädigung ausgenommen. Man wehrt sich offenbar berufsgenossenschaftlich nunmehr gewissermaßen mit Händen und Füßen gegen die Entschädigung der Fälle, die vor dem Stichtag 01.01.1993 liegen und damit nicht selten gar nicht weit zurück.

Aber derart kapitale Fehlleistungen von Rechtsprechung und Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaften zeigen sich auch sogar in weitgehend vergleichbarer Konstellation bei den Asbestlungenkrebsfällen, wo der Nachweis von 25 Asbestfaserjahren oder gar 60 solcher Asbestfaserjahre dann nicht genügen soll, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.04.1988 aufgetreten ist. Dann mögen die minderjährigen Kinder des Berufskrebskranken gerade erst 11, 12 oder 13 Jahre alt und trotz des beruflichen Zusammenhangs der Berufskrankheit des Vaters der Sozialhilfe ausgeliefert sein.

Zur noch nicht repräsentativen Statistik der BK Nr. 4111:

1997 wurden erst 174 Fälle angezeigt und 12 Fälle wurden neu berentet.